Ist unser Wohlstand ein Gradmesser für den Segen Gottes in unserem Leben? Woher kommt diese verbreitete Vorstellung? Gibt es biblische Gründe dafür und dagegen und wie wichtig ist es für unser Leben als Christen, hier die richtige Lehre und Einstellung zu vertreten?
Als christlicher Verleger und somit Geschäftsmann stehe ich unweigerlich vor der Frage: Bedeutet Segen Gottes für den Verlag und das Geschäft, dass es uns finanziell gut geht? Fast reflexhaft bejahen Christen eine solche Frage und sehen es als Segensbeweis, wenn das Geschäft floriert. Aber stimmt das? Nach dieser Formel müssten auch solche Verlage, die sich geistlich fragwürdig entwickelt haben, aber damit geschäftlich sehr erfolgreich Profit einstreichen, hochgradig gesegnet sein und sich des Wohlgefallen Gottes erfreuen, der sie als Belohnung für einen guten geistlichen Weg mit irdischen Segnungen vergilt. Sogar erfolgreiche Institutionen wie die reiche römisch-katholische Kirche oder Elite-Sekten wie die Scientology müssten demnach sehr von Gott gesegnet sein.
Historisch gesehen ist das Wohlstandsevangelium ziemlich jung. Es kam Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA im Umfeld der Pfingstbewegung auf. Auf Englisch heißt es Health and Wealth Gospel – das Evangelium von Gesundheit und Reichtum. Der Zusammenhang mit der Gesundheit verdeutlicht, welches Denken dahintersteckt: „Gott will, dass du gesund bist – körperliche Gesundheit ist Bestandteil des Evangeliums. Gott will, dass du reich bist – Reichtum ist Bestandteil des Evangeliums.“ Und um Gesundheit und Reichtum zu erlangen, müssen Wunder geschehen, die aber menschlich machbar sind. So wie Charismatiker und Pfingstler in Sachen Gesundheit den Kranken selbst die Schuld geben, wenn sie nicht geheilt werden – „du hast zu wenig Glauben; du betest nicht richtig; du hast eine versteckte Sünde in deinem Leben; du musst nur den richtigen Heiler aufsuchen oder die richtige Methode anwenden …“ – so beschuldigen sie auch arme, bedürftige und mittelmäßige Christen, dass ihre Knappheit dieselben Ursachen habe: geistliche Defizite.
Wolfhard Margies behauptet sogar, die verfolgten Christen in der ehemaligen Sowjetunion seien selbst an ihren Leiden schuld, nämlich wegen ihrer „unbiblischen, dem Willen Jesu zuwider laufenden Leidensprioritäten.“ Mit nur etwas biblischem Unterscheidungsvermögen erkennen wir hier sofort, dass extreme Charismatiker wie Margies die Dinge auf den Kopf stellen. Ebenso offensichtlich ist die falsche, aber sehr verbreitete Lehre der „Wort-des-Glaubens-Bewegung“: Hier wird gelehrt, man brauche nur fest genug an etwas glauben, es sich kräftig genug im Gebet vorstellen, dann würde Gott unsere Vorstellungen Wirklichkeit werden lassen (auf Englisch wird diese Methode name it and claim it, „benenne es und beanspruche es“ genannt). Kenneth Hagin ist ein Hauptvertreter dieser Lehre, in der sich charismatische Magie (die okkulte Praxis der Visualisierung) mit westlichem Materialismus zu einer üblen Mixtur verbindet.
Ein Phänomen der USA – auch in Afrika!
Das Wohlstandsevangelium hat sich insbesondere in den USA stark ausgebreitet und wurde dort von vielen angenommen, weil es einfach dem amerikanischen Traum entspricht: Genieße dein Leben und erreiche deine Ziele – sei (irdisch) erfolgreich, weil du es kannst! Und das Wohlstandsevangelium sagt passend dazu: Gott verhilft dir zu deinen Zielen – er will dich reich machen! In den USA ist ein sehr oberflächliches Evangelium verbreitet: Ein Großteil der Bevölkerung hält sich für wiedergeboren, weil diese Leute irgendwann mal bei einem Kindermissionsevent die Hand gehoben oder ein anderes Instant-Schnellbekehrungsverfahren durchexerziert oder eine spirituelle Erfahrung gemacht haben. Solche Scheinchristen, die in Wirklichkeit nicht für den Herrn Jesus leben (Galater 2,20), sondern für ihren eigenen Bauch (Philipper 3,19) und ihr Leben nicht an Jesus verlieren, sondern für sich selbst gewinnen wollen (wobei Jesus ihnen bloß Unterstützung liefern soll), nehmen das irdische Wohlstandsevangelium natürlich willig auf und freuen sich, für ihre egoistischen Lebensziele eine religiöse Begründung zu haben.
Die „christlichen“ Führungspersonen und Vorbilder leben ihnen weltförmige Luxusprasserei vor: Eine der in Deutschland einflussreichsten Predigerinnen des Wohlstandsevangeliums ist Joyce Meyer, die für ihren pompösen Lebensstil bekannt ist. Auf der Webseite der-ruf.info ist kurz zusammengefasst, was Thorsten Brenscheidt in seinem Buch Spürst du Gott schon oder liest du noch die Bibel? in einem ganzen Kapitel über Joyce Meyer dokumentiert: „Joyce Meyer vertritt die Lehren der Wort-des-Glaubens-Bewegung und propagiert das Wohlstandsevangelium in ihren Predigten und Büchern. Ihr Lebensstil veranschaulicht, was es heißt, in ›göttlichem Wohlstand‹ zu leben. Joyce Meyer verfügt über eine 2 Millionen US-Dollar teure Villa, einen Privatjet für 10 Millionen US-Dollar und diverse exklusive Luxusautos – das alles bezeichnet sie als ›Segen vom Herrn‹.“
Der deutsche Prediger Reinhard Bonnke ist bekannt für seine Feldzüge in Afrika. Schon drei Tage vor Beginn der Bonnke-Großveranstaltungen pilgern Hundertausende zu den Plätzen, bevor Bonnke mit Luxuslimousine und Polizeieskorte auffährt und den Afrikanern schmackhaft macht, was „christlicher Reichtum“ ist. Fliegende Händler versprechen sich Profit und verkaufen jede Menge T-Shirts und andere Accessoires mit Bonnke-Konterfei. Für die Afrikaner, die traditionell zu einem magischen Fetisch-Glauben neigen, sind diese Devotionalien mit Bonnke-Bildern doppelt nützlich. Ein Händler sagt: „Wir verbreiten mit diesen T-Shirts das Evangelium. Wenn die Leute Bonnkes Foto sehen, kaufen sie die Hemden sofort, denn sein Bild ist bereits eine Verkündigung der frohen Botschaft.“ Dieses „Evangelium“ ist nicht anderes als heidnischer Fetisch-Glaube. Auch weltliche Unternehmen wollen vom Boom der Pfingstkirchen in Afrika profitieren. Deutschlandradio berichtete: „Viele Kirchen sind mit Politik und Wirtschaft eng verflochten. Selbst internationale Unternehmen wie Coca-Cola, Unilever oder Nestlé verbinden ihre Produktwerbung mit der Werbung für die geistlichen Angebote der Glaubensgemeinschaften.“ Das auf Großplakaten beworbene Motto der Bonnke-Feldzüge in Afrika lautet: „Receive your miracle today! – Empfange dein Wunder noch heute!“ Ob Heilungswunder oder Reichtumswunder – es liegt dasselbe Motiv zugrunde: nicht geistliches Heil, sondern leibliches Wohlergehen durch ein irdisches „Evangelium“. Und nicht nur Einzelne erhoffen sich ihr persönliches Wunder, sondern Bonnke soll für die ganze Region, in der er predigt, den wirtschaftlichen Aufschwung bringen, der überall in Afrika so nötig wäre.
Reichtum an sich ist nicht böse. Das geistliche Problem ist die Geldliebe, die „eine Wurzel alles Bösen ist“ (1. Timotheus 6,10), und Geldliebe herrscht auch oft bei denen, die wenig Geld haben, aber liebend gern mehr hätten. Es gilt die unumstößliche Gleichung: „Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick“ (Vers 9). Wie sollen wir auf diese Gefahr reagieren? „Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge ….!“ (Vers 11).
Weglaufen möchte man angesichts der Zustände bei manchen US-Fernsehpredigen, über die in den Medien berichtet wird. Unter der Überschrift „Skandal um US-Fernsehprediger: Sex, Drogen, Halleluja“ steht auf Spiegel-Online ein Artikel über die haarsträubenden Intrigen um Paul Crouch, Gründer, Prediger und Leiter des weltweit größten christlichen Fernsehsenders. Crouchs Imperium Trinitiy Broadcasting Network (TBN) verfügt demnach über ein Vermögen von 827,6 Millionen US-Dollar. Ein Großteil stammt aus Spenden, ein anderer Teil aus Filmproduktionen und Investmentgeschäften. Um die Spenden zu generieren, werden den Fernsehzuschauern Geldvermehrungs-Versprechungen gemacht: Sende uns Geld, dann wird Gott dich mit noch mehr Geld segnen. Dass Paul Crouch sogar in homosexuelle Affären verwickelt war, wird ihm der säkulare „Spiegel“ sicher nicht ankreiden, ist aber in John MacArthurs Buch „Fremdes Feuer“ nachzulesen. Um das zu verheimlichen, hat er sogar 425.000 US-Dollar Schweigegeld gezahlt. Was für ein Sumpf!
John MacArthur beschreibt die Masche, wie die Fernsehprediger an Geld kommen und die Geldliebe ihrer Schafe sowohl ausnutzen als auch fördern: „In einer Sendung nach der anderen bedrängt man die Leute, ›den Samen auszustreuen‹, und verspricht, dass Gott sie dafür auf wunderbare Weise reich machen werde. Dieses Vorgehen ist auch als der ›Samen-Glaubens-Plan‹ bekannt, so genannt von Oral Roberts, dem wichtigsten Pionier in der Verbreitung charismatischer Lehre über das Fernsehen … Für Crouch und andere an der Spitze dieses Pyramidenspiels funktioniert die Wohlstandstheologie tadellos … Verhüllt in Gerede von Glauben und Großzügigkeit ist dieses Spiel ein trügerischer Trick, der dazu erdacht ist, die Habgierigen auszunehmen und die Verzweifelten zu betrügen.“
Manche US-Fernsehprediger versprechen, man könne ihrem Werk Gebetsanliegen per Brief schicken, zusammen mit Geld im Umschlag, und man würde für sie beten. John MacArthur berichtet als Beispiel von Robert Tiltons „Missionswerk, das … Einnahmen von über 80 Millionen US-Dollar im Jahr hatte. Die Recherche brachte ans Licht, dass Tiltons Missionswerk die eingesandten Gebetsbitten ungelesen wegwarf und nur die Umschläge kurz öffnete, um das enthaltene Geld zu entnehmen.“
Babylon und wir
Die Vermischung spiritueller Dinge mit wirtschaftlichen Machtfaktoren erinnert stark an das Babylon von Offenbarung 17-18. Doch dieses weltumspannende Mischsystem aus Religion und Wirtschaftskraft ist nicht nur ein listiger Verführer der Christen, sondern auch ein blutrünstiger Verfolger. Babylon will das Christentum zerstören – sei es von innen oder außen.
In wieweit können wir uns als Christen am florierenden Wirtschaftssystem beteiligen? Ich würde nicht so weit gehen wie William MacDonald, der […]
Alle Rechte liegen bei dem Autor Hans-Werner Deppe. Dieser Artikel ist erstmals in der Printausgabe »#18 Geld, Besitz & Ewigkeit« (01/2015) des Timotheus Magazins erschienen. Das Magazin wird von dem Betanien Verlag e.K. herausgegeben, veröffentlicht und vertrieben. Dieser Blogartikel nimmt Bezug auf die Predigt „Echt oder falsch?“ über 2. Petrus 2, 1-3 (22.10.2017) von Markus Schiller. Du kannst sie hier nachhören.